AG Köln zur Dauer einer unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit bei HWS-Distorsion
In seinem Urteil vom 14.01.2025 (Az. 269 C 174/22) hat das Amtsgericht Köln eine Klage unserer Mandantin, einer Berufsgenossenschaft, vollumfänglich entsprochen. Gegenstand des Verfahrens war die Erstattung unfallbedingter Aufwendungen in Höhe von 1.833,63 €, für Physiotherapiemaßnahmen und Verletztengeld. Die Beklagte, ein Haftpflichtversicherer, hatte die Zahlung zuletzt mit der Begründung verweigert, eine über vier Wochen hinausgehende Arbeitsunfähigkeit sowie die verordneten physiotherapeutischen Maßnahmen seien bei der unstreitig erlittenen HWS-Distorsion medizinisch nicht (mehr) nachvollziehbar.
Das Gericht hielt dem entgegen: Sowohl die fortbestehende Arbeitsunfähigkeit des Versicherten als auch die Physiotherapie seien als Sekundärschäden nach § 287 ZPO mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf das Unfallgeschehen zurückzuführen. Die eingereichten AU-Bescheinigungen mit durchgehender Diagnose „HWS-Distorsion“ sowie die ärztlichen Verordnungen der Physiotherapie reichten nach Auffassung des Gerichts aus, um die Kausalität zu bejahen. Den pauschalen Vortrag der Beklagten, eine HWS-Distorsion heile im Regelfall nach vier Wochen folgenlos aus, ließ das Amtsgericht nicht genügen.
Aus Sicht der Praxis ist dieses Urteil insbesondere deshalb erfreulich, weil es die Unterscheidung zwischen haftungsbegründender und haftungsausfüllender Kausalität konsequent anwendet – und die Anforderungen an die Überzeugungsbildung im Rahmen des § 287 ZPO nicht überspannt.
Gleichwohl bleibt anzumerken: Das Amtsgericht hat sich leider – trotz entsprechendem Vortrag – nicht mit dem Urteil des BGH vom 08.10.2024 – VI ZR 250/22 auseinandergesetzt. Dieses hätte auch im vorliegenden Fall Relevanz gehabt. In der Entscheidung VI ZR 250/22 hatte der BGH ausdrücklich betont, dass eine AU-Bescheinigung mit ICD-10-Codierung grundsätzlich als Beweisanzeichen für das Fortbestehen von BEschwerden zu würdigen ist, sofern keine konkreten Anhaltspunkte für eine zwischenzeitliche Ausheilung der Primärverletzung vorliegen. Besonders hervorzuheben ist dabei, dass der BGH ausdrücklich klarstellt, dass sich ein Geschädigter grundsätzlich auf die ärztlich ausgestellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung verlassen darf – mit der Folge, dass ihm dann auch ein Anspruch auf Ersatz eines entsprechenden Verdienstausfalls zusteht. Diese Klarstellung ist für Sozialversicherungsträger von erheblicher Bedeutung, da dies unserer Auffassung nach dann konsequenterweise auch die Ersatzpflicht entsprechender Verletztengeldzahlungen betrifft.
Fazit: Ein in der Sache richtiges und sorgfältig begründetes Urteil – mit einem kleinen Schönheitsfehler. Die von unserer Mandantin durchgesetzte Klage stärkt die Position gesetzlicher Unfallversicherungsträger in Regressverfahren erneut. Die Entscheidung zeigt zugleich, dass pauschalr Vortrag zu behaupteten „medizinischen Erfahrungswerten“ im Einzelfall nicht ausreichen, um konkrete ärztliche Verordnungen und Bescheinigungen zu entkräften.
Das Urteil des AG Köln vom 14.01.2025 – Az. 269 C 174/22 steht hier zum Download für Sie bereit.